Rennberichte

11.06.2017 Super Giro Dolomiti

Wir schreiben Sonntag, den 11. Juni 2017. Es ist 04:30 Uhr als der Wecker klingelt. Ich schaue aus dem Fenster und sehe keine einzige Wolke – perfekte Bedingungen also für den Super Giro Dolomiti. Kurz begutachte ich das wunderschöne Lienzer Bergland, bevor ich mir ein nicht allzu ausgiebiges Frühstück einverleibe. Dann geht es auch schon los Richtung Dolomitensporthalle, wo ich mir meine Startnummer abhole. Von dort aus mache ich mich ohne Umwege auf den Weg zum Start. Schnell umziehen, das Rad durchchecken, reichlich Verpflegung einpacken und ab in den Startblock. Bei erfrischenden 10°C warte ich auf den Startschuss. Die Nervösität steigt, zusammen mit ihr die Motivation – es kann losgehen! Schließlich ist es soweit, die letzten Sekunden werden angezählt...drei…zwei…eins…LOS!

In der ersten Gruppe rolle ich Richtung Oberdrauburg, wo der Gailbergsattel als erster von sechs (!) Anstiegen auf uns Teilnehmer wartet. Dort angekommen finde ich zum Glück ziemlich schnell meinen Rhythmus und kurble im geplanten Leistungsbereich den 6,5 Kilometer langen Anstieg hoch. Nach einer kurzen aber ziemlich raschen Abfahrt folgt schon die nächste Prüfung: die ca. 14 Kilometer lange Anfahrt auf den Plöckenpass. Auch hier finde ich mein Tempo wieder relativ rasch und erreiche ohne Probleme den Gipfel. Kurz Tempo rausnehmen und verpflegen, bevor ich mich in die Abfahrt nach Paluzza stürze. Unten angekommen schalte ich wieder in den Kletter-Modus und starte mit drei anderen Teilnehmern die Auffahrt nach Ligosulla. Zum ersten Mal spüre ich die stetig steigenden Temperaturen und entscheide mich daher, ein bisschen Tempo rauszunehmen. Mit leeren Trinkflaschen erreiche ich schließlich das Ende des Anstieges, wo ich von überaus freundlichen Betreuern an einer Labestation empfangen werde. Schnell die Flaschen mit „Aqua“ auffüllen und weiter geht’s Richtung Lanzenpass. Am Fuße des Anstiegs angekommen erblicke ich ein Schild…14 Kilometer bis zum Gipfel. Ich fühle mich gut, die Beine arbeiten fleißig und so freue ich mich auf’s „Klettern“. Meinen Rhythmus gefunden, merke ich rasch, dass mir dieser Berg liegt: lang und steil – so wie ich es mag. Den ersten Teil des Anstiegs meistere ich wie geplant und lasse meine Mitstreiter zurück. Es folgt eine ganz kurze Abfahrt, bevor es die letzten sechs Kilometer mit einer Steigung von durchschnittlich 10% wieder bergauf geht. Nun ist es soweit: Der prallen Sonne ausgeliefert spüre ich zum ersten Mal Erschöpfung. Ich nehme ein bisschen raus, esse ein Energy-Gel und kurble weiter.

Nach einer 56-minütigen Auffahrt erreiche ich das „Dach“ des Super Giro Dolomiti und erfreue mich beim Ersichten der Labestation. Ich mache kurz Halt, lasse meine Flaschen auffüllen, esse einen Riegel und schnaufe tief durch. Es folgt eine lange Abfahrt, die sich als überaus schwierig herausstellt. Viele enge Kehren und teilweise schlechter Bodenbelag fordern nicht nur meine volle Konzentration, sondern stellen auch meine Bremsen auf eine harte Probe. Zu zweit erreichen wir das Ende der Abfahrt, was gleichzeitig den Beginn der über 12 Kilometer langen Auffahrt zum Nassfeldpass darstellt. Ich konnte während der Abfahrt vom Lanzenpass gut regenerieren, dementsprechend schalte ich wieder in meinen gewohnten Kletter-Gang und mache mich guter Dinge auf Richtung Gipfel. Die Hitze ist brutal und macht mir immer mehr zu schaffen, ich bin erschöpft und merke wie die Wattwerte langsam sinken. Ich beiße die Zähne zusammen und fahre weiter, in sehnsüchtiger Erwartung auf den Gipfel und die dortige Labestation. Nach fast 60 Minuten Auffahrt ist es geschafft – der Gipfel ist erreicht. Ich fahre zur Labestation, wo meine Freundin mit zwei vollen Flaschen, ein paar Gels und, ganz wichtig, mit aufmunternden Worten auf mich wartet. Aufgetankt mit Zucker und frischer Motivation starte ich die letzten 100 Kilometer. Nun gilt es „nur“ noch die über 40 Kilometer lange und extrem unrhythmische Auffahrt zum Karitscher Sattel zu bewältigen. In einer dreiköpfigen Gruppe kurbeln wir zum Beginn der Steigung.

Meine Beine sind leer, ich habe Probleme meine Ablösen zu fahren. Pünktlich beim Fuße des Anstiegs dann der Supergau: Krämpfe in beiden Oberschenkeln. Ich muss abreissen lassen und reduziere das Tempo. Schnell versuche ich mit einem Gel und einem Riegel entgegenzusteuern – leider mit mäßig Erfolg. Ich quäle mich weiter, frage mich, warum ich mir das antue und denke einen ganz kurzen Moment sogar ans Aufgeben. Ein paar Fahrer, die ich rauf zum Nassfeldpass stehenlassen habe, holen mich wieder ein. Auch sie wirken müde und ausgelaugt. Am kleinen Kettenblatt pedaliere ich weiter und versuche mich von den Qualen abzulenken. Mit jeder Kurbelumdrehung kommt der Gipfel näher…noch 20 Kilometer….noch 10 Kilometer…geschafft. Ich stürze zur Labestation, esse eine Banane, trinke zwei Becher Cola und fülle meine Flaschen auf. Nur mehr 30 Kilometer!!! Dieser Gedanke gibt mir neue Energie. Ich attackiere die letzte Abfahrt und genieße das „Rollen lassen“. Unten angekommen hole ich das letzte bisschen Energie aus meinen Zellen hervor und kurble Richtung Ziel – wie gerne wäre ich nun in einer Gruppe unterwegs. Zehn Kilometer vor Lienz stehen Jugendliche am Straßenrand und jubeln mir lauthals zu. Die Anfeuerungsrufe verleihen mir einen Energie-Boost wie es kein Riegel und kein Gel auf dieser Welt zu tun vermochten. Dann die Erlösung: das Ortsschild von Lienz, was die letzten paar hundert Meter ankündigte. Ich beiße nochmals die Zähne zusammen und gebe einfach alles…GESCHAFFT!!! Nach 8 Stunden und 34 Minuten passiere ich die Ziellinie und bin überwältigt vor Freude und Erschöpfung.

Dominik Tantscher aus Graz



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